Henn trifft Muthesius

2019
Landhaus de Burlet, Berlin

Einzelausstellung
Die in Berlin lebende Künstlerin Vanessa Henn verwendet für ihre Skulpturen in der Regel gefundene Materialien, die sie im privaten und öffentlichen Raum entdeckt. Es sind vor allem Geländer, Handläufe und Gitter, wie sie etwa in Treppenhäusern, aber auch, wie ihre aktuelle Skulptur Kinky (Grenze) bezeugt, an Brücken angebracht werden. Diese meist mit Spuren des Gebrauchs, ja der Zerstörung versehenen, industriell vorgefertigten Objets trouvés, denen wir im Alltag selten unsere Aufmerksamkeit widmen, eignet sich Vanessa Henn auf ganz besondere Weise an: Sie verändert Form, Struktur und Farbe der aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelösten Objekte, so dass diese über die künstlerische Bearbeitung zu autonomen Plastiken werden, die neue Raumzusammenhänge ausbilden. Neben Arbeiten, die reliefhaft komponiert sind, entstehen Skulpturen, die ohne Sockel auskommen und zum Umschreiten und damit zur ganzseitigen Betrachtung anregen. Die Werke entwickeln dabei ihre eigene Logik und spielerische Poesie, die über die ursprüngliche Funktion des Ausgangsmaterials hinausweisen, diese aber auch reflektieren. Die bisweilen lakonisch-humorvollen Titel tragen dazu ihren Teil bei. Viele Arbeiten, wie etwa der gleichsam auf Fußspitzen tänzelnde Paravent (S. 10/11), lassen sich wegen ihrer linearen Elemente als Raum gewordene Zeichnungen begreifen.
 
Ergänzend zu den Geländer- und Gitter-Skulpturen entstehen bisweilen Editionen, die auf Collagen oder Fotografien der Künstlerin beruhen. Viele von ihnen zeigen oft unfreiwillige plastische Setzungen und Situationen. Wie auch die in diese Publikation eingefügten Fotos von Vanessa Henn bezeugen, findet sie diese oft an verlassenen, vernachlässigten oder gar verfallenen Non-Places im urbanen Raum. Durch ihren künstlerischen Zugriff gewinnen sie ein neues Leben.


Dr. Andreas Schalhorn